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Psychotherapie bei Kindern und Jugendlichen: Wann sie sinnvoll ist und worauf es ankommt
Anzeichen, Ablauf und rechtliche Grundlagen – was Eltern über psychotherapeutische Unterstützung wissen sollten

Die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen ist ein Thema, das zunehmend an Bedeutung gewinnt. Eltern machen sich oft große Sorgen um das emotionale Wohlbefinden ihrer Kinder, wenn diese auffälliges Verhalten zeigen oder anhaltende Krisen durchleben. Doch ab wann ist eine Psychotherapie sinnvoll? Was sind typische Symptome? Welche rechtlichen Rahmenbedingungen gelten? Und wie gehen Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten vor?
Kindliche Entwicklung verläuft in Etappen — und nicht immer geradlinig
Kindheit und Jugend sind geprägt von ständiger körperlicher und psychischer Veränderung. Der Weg vom Säugling bis zum Erwachsenen ist alles andere als linear. Kinder und Jugendliche müssen immer wieder neue Herausforderungen bewältigen, was häufig zu kleineren oder größeren Krisen führt. Diese sind Teil der normalen Entwicklung und notwendig, damit sie Kompetenzen für das spätere Leben entwickeln können.
Wie ein Kind mit solchen Entwicklungskrisen umgeht, hängt auch stark von seinem individuellen Temperament ab. Für Eltern und andere Bezugspersonen ist es jedoch nicht immer leicht einzuschätzen, ob sie typische Eigenheiten einfach akzeptieren sollten oder ob hinter auffälligem Verhalten eine tieferliegende Problematik steckt. In solchen Fällen kann ein Gespräch mit einer Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin klären, ob eine professionelle Unterstützung sinnvoll wäre.
Wenn Konflikte das Kind überfordern
Konflikte und Belastungen im familiären Umfeld — etwa ständiger Streit, Trennung der Eltern, Krankheit oder der Verlust eines geliebten Menschen — können Kinder stark beeinträchtigen. Sie brauchen dann Zeit, Raum und Unterstützung, um diese Veränderungen zu verarbeiten. Gelingt dies nicht, besteht die Gefahr, dass aus Ängsten, Wut oder Rückzug ernstzunehmende psychische Erkrankungen entstehen. Professionelle Hilfe kann helfen, solche negativen Entwicklungen frühzeitig abzufangen und Kindern zu ermöglichen, sich trotz schwieriger Umstände weiter gesund zu entwickeln.
Wenn der Alltag aus dem Gleichgewicht gerät
Verändert sich das Verhalten eines Kindes deutlich und dauerhaft, sollte dies nicht ignoriert werden. Schwierigkeiten können bereits im frühen Alter auftreten, beispielsweise bei exzessivem Schreien, Problemen beim Schlafen oder Essen. Bei älteren Kindern sind häufig soziale Ängste, Schulprobleme, aggressives Verhalten oder ausgeprägte Unruhe erste Anzeichen. Auch ein zunehmender Rückzug, Freudlosigkeit oder ein problematischer Medienkonsum können Hinweise auf eine seelische Überforderung sein. In all diesen Fällen ist eine frühzeitige therapeutische Unterstützung sinnvoll.
Sorgfältige Diagnostik ist der erste Schritt
Bevor eine Therapie beginnt, wird eine umfassende Diagnostik durchgeführt. Dazu gehören Gespräche mit Eltern und Kind, Verhaltensbeobachtungen, der Einsatz von Tests und Fragebögen sowie eine ärztliche Untersuchung, um körperliche Ursachen auszuschließen. Ziel dieser Diagnostik ist es, ein umfassendes Bild der Problematik zu erhalten, um eine gezielte und individuell passende Behandlung planen zu können.
Wie häufig sind psychische Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen?
Psychische Auffälligkeiten sind keineswegs selten. Nach aktuellen Studien des Robert Koch-Instituts zeigt etwa jedes fünfte Kind Anzeichen psychischer Probleme. Die Art der Störungen variiert je nach Alter:
- Im Vorschulalter (3–6 Jahre) treten vor allem Verhaltensprobleme, Sprachentwicklungsverzögerungen und frühe Ängste auf.
- Im Grundschulalter (6–10 Jahre) häufen sich Diagnosen wie ADHS, Trennungsangst und erste soziale Unsicherheiten.
- Bei Jugendlichen (10–18 Jahre) nehmen Depressionen, Essstörungen und soziale Phobien stark zu. Auch suchtartiges Verhalten wird häufiger.
Eine frühzeitige Erkennung und Behandlung psychischer Störungen ist entscheidend, um langfristige negative Folgen zu vermeiden.
Rechtliche Voraussetzungen: Zustimmung der Eltern und besondere Regelungen
Bis zum Alter von 14 Jahren benötigen Kinder für den Beginn einer Psychotherapie die Zustimmung beider Sorgeberechtigten. Auch bei getrennt lebenden Eltern mit gemeinsamem Sorgerecht gilt diese Regelung. Jugendliche ab 15 Jahren können unter bestimmten Voraussetzungen und bei gesetzlicher Versicherung selbst eine Therapie beginnen. Bei privat Versicherten bleibt die Einwilligung der Eltern erforderlich.
In akuten Notfällen, wenn das Kindeswohl gefährdet ist, kann auch ohne vollständige rechtliche Klärung eine psychotherapeutische Maßnahme eingeleitet werden.
Wie läuft eine Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie ab?
Die Therapie beginnt mit einer Diagnostikphase, in der Gespräche, Verhaltensbeobachtungen, Tests und ärztliche Untersuchungen kombiniert werden. Auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse wird ein individuelles Behandlungskonzept erstellt. Je nach Alter und Problemstellung können unterschiedliche Methoden zum Einsatz kommen:
- Verhaltenstherapie (z. B. bei Ängsten, Depressionen, ADHS)
- Tiefenpsychologisch fundierte Therapie (z. B. bei Beziehungs- und Bindungsthemen)
- Systemische Therapie (z. B. bei familiären Konflikten)
- Spieltherapie (insbesondere bei jüngeren Kindern)
Ein wichtiger Bestandteil der Behandlung ist die Einbeziehung der Eltern, um Veränderungen im Alltag nachhaltig zu unterstützen.
Besonderheiten der Psychotherapie bei Kindern und Jugendlichen
Kinder und Jugendliche äußern ihre inneren Konflikte oft nicht direkt in Worten. Während kleinere Kinder häufig spielerisch ihre Sorgen ausdrücken, können ältere Jugendliche in Gesprächen bereits differenzierter über Gefühle und Probleme berichten. Die Therapie passt sich diesen unterschiedlichen Ausdrucksformen flexibel an. Geduld, Verständnis und eine wertschätzende Haltung von Seiten der Eltern sind dabei wesentliche Erfolgsfaktoren.
Warum gibt es speziell ausgebildete Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten?
Kinder und Jugendliche sind keine kleinen Erwachsenen – ihre psychische, emotionale und soziale Entwicklung verläuft auf ganz eigenen Bahnen. Ihre Probleme äußern sich oft anders als bei Erwachsenen:
Kleine Kinder können Gefühle häufig noch nicht sprachlich ausdrücken.
Jugendliche befinden sich mitten in einer Phase voller Identitätsfindung und Abgrenzung.
Symptome wie Angst, Depression oder Trauma zeigen sich bei Kindern oft in körperlichen Beschwerden, Unruhe oder Rückzug, nicht immer direkt in Worten.
Deshalb braucht es Psychotherapeut:innen, die speziell geschult sind, die Entwicklungsschritte, Ausdrucksformen und Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen zu verstehen – und passende therapeutische Methoden einsetzen können.
Wie sind solche Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten qualifiziert?
Die Ausbildung ist in Deutschland genau geregelt und sehr anspruchsvoll:
Grundberuf:
Entweder ein abgeschlossenes Hochschulstudium (z. B. Psychologie, Sozialpädagogik, Pädagogik) oder ein vergleichbarer Studienabschluss.
Staatlich anerkannte Zusatzausbildung:
Nach dem Studium folgt eine mehrjährige Zusatzausbildung (in Vollzeit etwa 3 Jahre, in Teilzeit länger) an einem staatlich anerkannten Ausbildungsinstitut.
Diese Ausbildung umfasst:
- Theoretische Ausbildung (mindestens 600 Stunden Unterricht) zu Diagnostik, entwicklungspsychologischen Grundlagen, verschiedenen Störungsbildern bei Kindern und Jugendlichen, familienorientierter Arbeit etc.
- Praktische Ausbildung (mindestens 600 Behandlungsstunden unter Supervision) mit echten Therapiefällen aus dem Kinder- und Jugendbereich.
- Praktische Tätigkeit (mindestens 1.200 Stunden) in einer psychiatrischen Klinik oder einer psychotherapeutischen Einrichtung zur breiten klinischen Erfahrung.
Staatliche Abschlussprüfung:
Nach der Ausbildung muss eine staatliche Prüfung („Approbationsprüfung“) bestanden werden.
Erst danach erhalten sie die Approbation (Berufszulassung) als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut:in.
Eintragung ins Arztregister:
Wer später über gesetzliche Krankenkassen abrechnen will, muss sich zusätzlich ins Arztregister eintragen lassen und häufig auch eine Kassenzulassung erwerben.
Wann dringend professionelle Hilfe erforderlich ist
Eltern sollten aufmerksam werden, wenn ihr Kind:
- Über längere Zeit traurig oder verzweifelt wirkt
- Übermäßig ängstlich, zwanghaft oder aggressiv reagiert
- Deutlich an Gewicht verliert oder Essverhalten massiv verändert
- Sich sozial komplett zurückzieht oder nicht mehr zur Schule geht
- Selbstverletzendes Verhalten zeigt oder Suizidgedanken äußert
Ein frühzeitiges Handeln kann verhindern, dass sich psychische Probleme verfestigen.
Fazit: Besser frühzeitig handeln
Psychische Auffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen sind keine Seltenheit. Entwicklungsbedingte Krisen gehören zwar zum Großwerden dazu, doch manchmal benötigen junge Menschen professionelle Unterstützung. Eine qualifizierte Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie kann helfen, psychische Belastungen frühzeitig aufzufangen und positive Entwicklungswege zu ermöglichen.
Haben Sie Fragen zur Psychotherapie für Kinder und Jugendliche? Sprechen Sie uns gerne an. Im Fachzentrum für Psychotherapie beraten wir Sie individuell und vertrauensvoll.